Befreiung vom spaltenden Geist

Integrale Wahrheitsfindung als Grundlage eines humanen Gemeinwesens

 


Ziel dieses Textes ist eine Befähigung, mit Wachheit gegenüber den polarisierenden Einflüssen des spaltenden Geistes

die radikale Mittelwegsperspektive in politischen (wie in philosophischen und psychologischen) Fragen zu behaupten.

(Wir finden in der Einstellung gegenüber dem dia-bolischen Geist selbst eine Polarisierung zwischen Leugnung

und fatalistischer Überzeichnung von dessen krimineller Willenskraft.)

"Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte."

(Goethe, Faust 1.Teil, Vers 2181f - Mephistopheles)



Wir Menschen auf dieser Erde, leben seit mehreren Jahrtausenden unter der sich zuspitzenden Herrschaft eines diabolischen, kriegerischen, spaltenden Geistes, welcher sich in besonderer Weise gegen seine eigene Aufklärung immunisiert hat - ähnlich wie wir es in der Tiefenpsychologie als "Widerstand" gegen die Bewusstwerdung unbewusster selbstschädigender Denk- und Verhaltensmuster kennen.

"Geist" ist hierbei durchaus in seiner doppelten Bedeutung gemeint: Einerseits als Feldeffekt im kollektiven Bewusstsein, als weit verbreitetes Denk- und Interpretationsmuster - andererseits als individuelle Wesenheit mit Durchsetzungswillen und Selbsterhaltungsinteresse. Diese Sichtweise folgt einem transpersonalen Weltbild, dem zufolge den Erscheinungen der materiellen Welt Kräfte und Formationen auf feinstofflicher und Bewusstseins-Ebene zugrunde liegen - und einem mehrperspektivischen, integralen Ansatz, dem zufolge beispielsweise auch das absolute, all-umfassende, allem zugrunde liegende Bewusstsein zugleich so etwas wie eine abstrakte Energie und so etwas wie eine individuelle Persönlichkeit ist.

Dieser spaltende Geist bewirkt zunächst einen Verlust der "Seelenverankerung", der Verbindung von uns Menschen mit jenem transpersonalen Urgrund, dem wir entstammen - und als Folge davon auf vielen Ebenen den Verlust eines gesunden Gleichgewichts, das Verlassen des "goldenen Mittelweges" zwischen den zugespitzten Extrempositionen manch einer Polarität. Wahrheit Suchende stehen dann vor der angeblichen Notwendigkeit einer Wahl zwischen sich gegenüber stehenden Halbwahrheiten, welche alleinige Gültigkeit beanspruchen

- wie ein Scheidungskind. (vgl. mein Unbehagen in der Adoleszenz zwischen den Deutungsmächten Kirche und Schule)

Bildlich gesprochen ist das Leben auf dem Mittelweg ein frei schwingendes Pendel, während ein Pendel, welches um seine Aufhängung "nicht mehr weiß", versucht sein mag, sich zu seiner Orientierung mit einzelnen Rand- und Eckpunkten der von ihm beschriebenen Fläche zu identifizieren.

Im intrapsychischen Bereich finden wir hier in typischer Weise die Spaltung zwischen Angst vor Entbehrung und Gier, im Bereich der allumfassenden Weltbilder die Polarisierung zwischen Monotheismus und Atheismus.

(vgl. Risi: "Der radikale Mittelweg")

Im dazwischen liegenden Bereich der gesellschaftspolitischen Bewusstseinsbildung finden wir eine solche Spaltung in - wohl nicht zufällig - besonders eklatanter Ausprägung: die Spaltung zwischen "links" und "rechts". In unserer politischen Kultur gilt diese Polarisierung oft als unvermeidlich, gar als Wesensmerkmal von Demokratie.

Dies lässt sich anhand der verschiedenen Themenbereiche noch ausdifferenzieren.

So wird in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik die Polarität zwischen der zentralen Bedeutung von freiem Willen und Initiative einerseits und der Notwendigkeit unserer allseits rücksichtsvollen Bindung an die Gemeinschaft andererseits in die Gegenüberstellung von Privatisierungsideologie und Verstaatlichungswahn zugespitzt.

Die Privatisierung der Allmende und die Verstaatlichung individueller Gestaltungsspielräume sind zwei Seiten der gleichen Medaille einer zunehmenden Herrschaft krimineller Energie einer machtbesessenen Oligarchie in der Gestaltung des menschlichen Gemeinwesens.

So wird in der Globalisierungsfrage die Polarität zwischen Integrität von Teilen und Integrität des Ganzen in die Spaltung zwischen Nationalismus und zentralisierend-nivellierendem Globalismus/Mulitkulturalismus zugespitzt.

Spaltungen dieser Art beziehen ihre Energie wie erwähnt aus dem Unbewusstwerden unseres transzendentalen Ursprungs und allem, was sich daraus ableiten lässt, so vor allem auch aus dem Unbewusstwerden des spaltenden Geistes selbst. Da dessen zerstörerische Auswirkungen aber in der Tagespolitik immer weniger zu übersehen sind, greift der Wahrheit suchende Verstand nach möglichen Erklärungen und findet diese - projizierend - in den angebotenen Polarisierungen, wobei es psychodynamisch fast egal ist, auf welcher Seite wir uns identifizieren. Sobald wir dieses tun, wird die andere Seite nicht mehr als ein ergänzendes, zur Vollständigkeit der Erkenntnis beitragendes "Puzzlestück" gesehen, sondern als zu bekämpfender Ausdruck des Übels, eben als Gegen-Seite.

(vgl. meine späteren Texte zum „spaltende(r) Geist“-Thema)

Dem entsprechend ist das Kernmerkmal einer politischen Kultur, welche in der Lage ist, diese Spaltungsdynamik nachhaltig aufzuheben, ein Wiederherstellen der verlorenen Seelenverankerung. Als Individuen tun wir dies durch kontemplative, meditative Praktiken und als Gemeinschaften durch die Nutzung von "Meeting"-Formaten, welche die kreativen Potenziale jedes einzelnen Teilnehmenden optimal in die Wahrheitsfindung und Willensbildung der Gruppe oder Organisation einfließen lassen, wie es in der Praxis des "Dialog" nach David Bohm oder in den "kreisförmigen" Konferenztechniken etwa des Genuine Contact - Netzwerkes der Fall ist.

Wenn wir den Begriff des Gewissens - der ja ein in der politischen Philosophie gebräuchlicher, alt ehrwürdiger Ausdruck für eine solche Seelenverankerung ist - in die oben beschriebene Polarität zwischen den Grundwerten von Freiheit und Bindung hinein nehmen, zeigt sich sofort, wie dieser Transzendenzbezug die Polarisierung aufhebt und "die Pendel-Aufhängung sichtbar macht": Gewissensfreiheit und Gewissensbindung bedingen einander geradezu gegenseitig und das Zusammenspiel beider erst ermöglicht einem Gemeinwesen, sich wohl geordnet zu entwickeln.

In dem Maße, wie es gelingt, diese Praktiken und Techniken zu bestimmenden Wesensmerkmalen unserer politischen Kultur zu entwickeln, können wir berechtigt Hoffnung schöpfen, ein Gemeinwesen zu gestalten, welches Merkmale des Himmels auf Erden verwirklicht.